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Haftungsbegrenzung in Bauverträgen - ein guter Vorsatz für 2013

Rechtsanwalt Christoph Isler zeigt anhand des Papageienfalls, wie dramatisch die Folgen sein können, wenn in Verträgen die Haftung für Vertragsverletzungen nicht oder nicht sachgerecht geregelt ist.

Vertragliche Haftungsbeschränkungen sind ein wichtiger Bestandteil zur Sicherung der langfristigen unternehmerischen Existenz. Die in der Maschinen- und Elektroindustrie längst etablierten Haftungsbeschränkungsklauseln gehören zwingend auch in Bauverträge.

Vertragliche Verpflichtungen müssen erfüllt werden. Wer nicht erfüllt, muss dem Vertragspartner den dadurch entstandenen Schaden ersetzen. Terminverzug oder Mängel können beim Vertragspartner zu Ertragsausfällen, Verlust von Aufträgen, Vertragsstrafen oder anderen Folgekosten führen. Auch dafür haftet der Unternehmer in voller Höhe, unabhängig vom Auftragswert oder vom Grad der Pflichtverletzung. So sieht es das Gesetz vor. 

Exemplarisch ist der Papageienfall, in welchem ein Vertragswert von 4600 Franken zu einem Schadenersatz von 2 Millionen Franken geführt hat. Solche Risiken können jedoch vertraglich begrenzt werden. 

In der Maschinen- und Elektroindustrie sind Beschränkungen der gesetzlichen Haftung seit langem etabliert – auch bei marktmächtigen Auftraggebern. Es gibt keinen Grund, weshalb das in der Bauindustrie anders sein sollte. 

Der Papageienfall 

Im als "Papageienfall" bekannt gewordenen Bundesgerichtsentscheid (BGE 133 III 257) hat ein Tierhändler einem anderen Tierhändler für 4600 Franken sechs Papageien verkauft. Die Papageien wurden vor der Auslieferung vom Verkäufer in Quarantäne gehalten. Dennoch war einer der Papageien Träger eines Virus, mit dem er den gesamten Papageienbestand des Käufers ansteckte. Alle Tiere des Käufers starben und es entstand ein Schaden von rund 2 Millionen Franken, den der Verkäufer ersetzen musste. 

Den Verkäufer traf kein Verschulden. Er hatte mit der Quarantäne alles richtig gemacht. Trotzdem musste er am Schluss für den Schaden geradestehen. Der Grund dafür war, dass nach Meinung des Bundesgerichts die Ansteckung und Erkrankung des Papageienbestandes des Käufers einen sog. direkten Schaden darstellt. Und für direkte Schäden haftet der Verkäufer nach den gesetzlichen Bestimmungen des Kaufrechtes auch ohne Verschulden (sog. Kausalhaftung). Das war insofern neu und überraschend, als die herrschende juristische Lehre bis zu diesem Zeitpunkt angenommen hatte, direkte Schäden seien nur Schäden am Kaufgegenstand selber (auch Mangelschäden genannt), während alle Schäden an anderen Gegenständen (auch Mangelfolgeschäden genannt) als indirekte Schäden qualifiziert würden. 

Darauf kommt es aber gemäss Bundesgericht nicht an. Auch Mangelfolgeschäden können direkte Schäden sein, für welche ohne Verschulden gehaftet wird. Massgebendes Kriterium ist einzig, ob ein Schaden direkt durch die mangelhafte Kaufsache verursacht worden ist oder ob noch andere Schadensursachen hinzugetreten sind. 

Die Haftung für Folgeschäden im Bauvertrag 

Was dem Papageienverkäufer widerfahren ist, kann durchaus auch in einem Bauprojekt geschehen. Im Werkvertrag erfordert zwar die Haftung für Mangelfolge und Verzugsschäden eine Verletzung der gebotenen Sorgfalt (Verschulden). Dies ist jedoch kaum risikomindernd, findet sich doch bei Mängeln und Verzug, die dem Unternehmer zuzuordnen sind, meistens auch das entsprechende Verschulden. 

Bei Verzug in der Übergabe einer Wohnüberbauung mag es noch verkraftbar sein, wenn die Käufer einige Wochen im Hotel untergebracht werden müssen. Ist der Unternehmer hingegen in Verzug in einem Kraftwerkprojekt oder muss eine Produktionsanlage gestoppt werden, weil mangelhafte Betonarbeiten zu sanieren sind, führt dies schnell zu Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe.

Haftungsbegrenzungen gehören auch in Bauverträge 

Die gesetzlich vorgesehene unbegrenzte Haftung ist nicht in Stein gemeisselt. Sie kann vertraglich (fast) beliebig eingeschränkt werden. Weite Teile der Industrie tun dies auch. In der Baubranche besteht dagegen sehr wenig Verständnis für die vertragliche Behandlung der Haftungsrisiken. Wer eine Haftungsbegrenzung aushandeln will, stösst vielfach auf Unverständnis, sowohl bei Generalunternehmern als auch bei der öffentlichen Hand, oft mit dem Hinweis, das Gesetz sehe ja eine unbeschränkte Haftung vor. 

So nachvollziehbar der Grundgedanke des Gesetzes (wer einen Schaden verursacht, soll ihn auch ersetzen) auch sein mag, er wird der wirtschaftlichen Realität schon lange nicht mehr gerecht. 

Bauaufträge sind oft Teil eines Grossprojektes. Die Erträge des Bauunternehmers sind dann viel geringer als die Kosten des Gesamtprojekts und stehen in keinem Verhältnis zu den Erträgen, die der Bauherr mit dem Bauwerk auf Jahre hinaus generiert. 

Ein Unternehmer muss die Risiken, die er eingeht, langfristig durch entsprechende Risikomargen auffangen können. Das ist bei Grossrisiken, welche beispielsweise in Ertragsausfällen einer Bahnunternehmung oder eines Kraftwerks bestehen, schlicht unmöglich. 

Auch Versicherungen bieten keinen ausreichenden Schutz vor diesen Risiken. Die grössten Risiken aus der Vertragserfüllung sind als klassisches Unternehmerrisiko nicht (oder nur sehr eingeschränkt) versicherbar.

Selbstverständlich soll eine Haftungsbegrenzung nicht dem Unternehmer die Gewinnmarge sichern und ihn auch nicht von der Pflicht befreien, seine vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Bei Verzug oder Mängeln muss er sich Konventionalstrafen oder Preisminderungen gefallen lassen und die Mängel beheben, auch wenn ihm dies hohe Kosten verursacht. Diese Risiken gehören zu seinem Geschäft. Der Bauunternehmer kann sie beherrschen, betragsmässig abschätzen und einkalkulieren. Potentielle Ertragsausfälle seines Kun[1]den kann er hingegen weder abschätzen noch einkalkulieren. 

Haftungsbegrenzungen sind ein Gebot der Nachhaltigkeit 

Ein Unternehmer, der unbegrenzte, nicht kalkulierbare vertragliche Haftungsrisiken eingeht, handelt verantwortungslos. Klare Vorgaben des Verwaltungsrates über den Umgang mit vertraglichen Risiken gehören in jede Unternehmung. 

Aber auch den Bauherren ist nicht gedient, wenn sie auf eine unbegrenzte Haftung bestehen. Unternehmer, welche einem Bauherrn die unbegrenzte Haftung zugestehen, tun dies auch anderswo. Realisiert sich ein solches Risiko und führt es zu einem Konkurs, verliert der Bauherr seinen Unternehmer, vielleicht zum ungünstigsten Zeitpunkt. 

Unternehmer, die ihre Haftung begrenzen möchten, sind nicht frech, sondern sorgfältig im Umgang mit Risiken. Solche Partner sind schlicht verlässlicher. 

Formulierung von Haftungsklauseln 

Folgende Möglichkeiten, um die Haftungsrisiken auf ein tragbares Mass zu beschränken, haben sich in der Industrie etabliert und gehören auch in Bauverträge: 

  • Obergrenze für die Gesamthaftung; 
  • Ausschluss der Haftung für bestimmte Vermögensschäden und allgemeine Folgeschäden;
  • Begrenzung der Verzugshaftung auf Konventionalstrafen; 
  • Konventionalstrafen für definierte Leistungswerte anstelle der Haftung für Mangelfolgeschäden. 

Zu beachten ist, dass sich die Haftung für grobfahrlässig oder absichtlich verursachte Schäden nicht ausschliessen lässt. Dem Missbrauch ist also ein Riegel geschoben. 

Haftungsbegrenzungsklauseln sollten zudem nicht in allgemeinen Geschäftsbedingungen versteckt werden. Sie sind ein zentrales Element eines Vertrages und gehören in das höchstrangige Vertragsdokument. 

Mit Vorteil weist der Unternehmer von Anfang an darauf hin, dass die Haftungsbegrenzung Teil seines Angebotes ist. Kein seriöser Bauherr wird den Unternehmer deshalb disqualifizieren.