Bankgarantien im Anlagebau - sicher ist sicher?
Bank- oder Versicherungsgarantien sind ein gängiges Mittel zur Beherrschung von Projekt- und Unternehmensrisiken.
Was dem Kunden Sicherheit bringt, belastet den Handlungsspielraum des Anlagebauers. Dieser Newsletter plädiert für massvolle Anforderungen an Art, Höhe und Laufzeit von Bankgarantien.
Anlagebauer verlangen auch von ihren Unterlieferanten Bankgarantien. Diese müssen im Schadenfall durchsetzbar sein. Formfehler und Ungenauigkeiten können aus einer Bankgarantie ein wertloses Papier machen. Dieser Newsletter zeigt die grössten Fallstricke.
Die Bankgarantie im Anlagebau
Mit der Bankgarantie verpflichtet sich eine Bank (oder eine Versicherung), bei Vertragsverletzungen einen bestimmten Betrag an den Garantieempfänger zu zahlen. Die Vertragsverletzung ist zwar damit nicht behoben, aber die finanziellen Folgen sind gelindert. Da die Bank Rückgriff nimmt, ist die Garantie ein wirksames Druckmittel, um den Vertragspartner zur Vertragserfüllung anzuhalten.
Im Anlagebau sind drei Typen von Garantien mit je eigenem Zweck üblich:
Mit einer Erfüllungsgarantie verpflichtet sich die Bank, Garantiebetrag zu bezahlen, wenn der Vertrag nicht erfüllt wird. Hauptzweck die Abdeckung des Insolvenzfalls.
Mit Anzahlungsgarantien verpflichtet sich die Bank, vom Kunden geleistete Anzahlungen zurückzuzahlen, wenn sie nicht für das Projekt verwendet werden.
Mit Gewährleistungsgarantien verpflichtet sich die Bank, den Garantiebetrag zu bezahlen, wenn der Anlagebauer seine Gewährleistungsverpflichtungen nicht wahrnimmt.
Garantie und Bürgschaft
Eine klassische (sogenannt abstrakte) Bankgarantie ist mit einer Mitteilung abrufbar. Einreden und Einwendungen aus dem Hauptvertrag sind nicht möglich. Die Bank kann eine geforderte Auszahlung beispielsweise nicht mit dem Hinweis verweigern, es liege gar keine Vertragsverletzung vor.
Bürgschaften im Sinne des schweizerischen Rechts sind hingegen abhängig davon, dass der Anlagebauer effektiv eine vertragliche Pflicht verletzt hat, beispielsweise Mängel nicht behebt. Die Bank kann gegen die Auszahlung zunächst einmal die Einrede erheben, es liege gar kein Mangel vor oder die Mängel seien zu spät gerügt worden. Im schlimmsten Fall muss ein Prozess gegen die Bank geführt werden.
Mit abstrakten Bankgarantien kommt der Empfänger daher viel schneller und einfacher zum Geld als mit einer Bürgschaft. Die Bankgarantie ist damit sicherer, aber deshalb auch wesentlich teurer als die Bürgschaft.
Die Bankgarantie als Instrument des Risikomanagements – kein Automatismus!
Bankgarantien sind in der ganzen Produktionskette eines Anlageprojekts anzutreffen. Im Projektgeschäft hat sich ein gewisser Automatismus etabliert – je mehr Garantien, desto mehr Sicherheit. Die Risikoabsicherung ist jedoch nicht gratis zu haben und bietet auch keine totale Sicherheit:
- Prämien für Bankgarantien sind hoch;
- Die Sicherheitsbedürfnisse der Garantiebank belasten die Kreditlimiten des Anlagebauers und binden wesentliche finanzielle Mittel;
- Hohe Garantieanforderungen reduzieren die Anzahl möglicher Markteilnehmer;
- Keine Garantie kann die korrekte Leistung ersetzen.
Beim Einfordern von Garantien ist daher für alle Akteure eine Risikobeurteilung mit Augenmass angesagt:
- Kein Risiko => keine Garantie nötig (Erfüllungsgarantien nur bei realem Insolvenzrisiko);
- Vernünftige Garantiesummen (Erfüllungs- und Gewährleistungsgarantien max. 10%, bei Grossprojekten 5%);
- Kürzest mögliche Garantiedauer (Anzahlungsgarantien sollten auslaufen, sobald für die geleistete Anzahlung ein Gegenwert vorhanden ist);
- Bürgschaften als günstigere Alternative (für Gewährleistungsgarantien genügen Bürgschaften).
Damit es wirklich funktioniert – Text verhandeln, Fallen vermeiden
Verlangt der Anlagebauer von seinen Lieferanten Bankgarantien, muss auch sicher sein, dass sie im Risikofall wirklich zur Verfügung stehen. Wer nicht aufpasst, kann in eine Anzahl Fallen tappen, welche die Garantien wertlos machen.
Garantien sind Verträge. Es gilt, was drin steht und beide Parteien haben dazu etwas zu sagen. Die von den Banken und Kunden verwendeten Vorlagen sind nicht Gesetz; es ist durchaus legitim, Fragen zu stellen und Änderungen zu verlangen.
Falle 1 – Garantie ist nicht gleich Garantie
Eine Bankgarantie ist nur dann eine abstrakte (und damit wertvollere) Garantie, wenn in der Garantieurkunde explizit vermerkt ist, dass die Bank den Garantiebetrag “unter Verzicht auf jegliche Einreden und Einwendungen aus dem Grundvertrag” auszahlt.
Auch wenn eine Urkunde mit “Bankgarantie” betitelt ist, liegt keine abstrakte Garantie vor, wenn im Text von einer Solidarbürgschaft die Rede ist.
Falle 2 – Die Garantie ist nicht in Kraft
Anzahlungsgarantien sehen vor, dass sie in Kraft treten, wenn ein bestimmter Anzahlungsbetrag auf einem bestimmten Konto bei einer bestimmten Bank einbezahlt worden ist. Wenn der einbezahlte Betrag auch nur minimal abweicht, wenn auf eine andere Bank oder auf ein anderes Konto der richtigen Bank einbezahlt wurde, ist die Garantie nicht in Kraft und die Bank kann die Auszahlung verweigern.
Grundlage für diese formalistisch (und etwas bankenfreundlich) anmutende Situation ist der Grundsatz der „Garantiestrenge“. Im Unterschied zu gewöhnlichen Ver[1]trägen geht bei Garantien der Wortlaut der Garantieurkunde allen anderen Auslegungsmethoden vor (vgl. z.B. den Bundesgerichtsentscheid 4A_342/2009).
Falle 3 –Garantie für den falschen Vertrag
Bezieht sich eine Erfüllungsgarantie auf den “Werkvertrag vom 14.4.2010”, gilt sie genau für diesen Vertrag. Ist der Vertrag effektiv mit dem 30.5.2010 datiert, kann die Bank einen “zweckwidrigen” Abruf geltend machen und die Zahlung verweigern.
Es empfiehlt sich daher, den Bezug auf den Vertrag relativ offen zu formulieren, beispielsweise mit “Werkvertrag Dampfturbine Projekt Kehrrichtverbrennungsanlage XY”.
Falle 4 - Bedingungen für den Garantieabruf
Muss tatsächlich einmal eine Garantie abgerufen werden, müssen die in der Urkunde formulierten Bedingungen peinlich genau eingehalten werden. Vor allem ist darauf zu achten, dass genügend Zeit bleibt, um alle Formalitäten zu erledigen, bevor die Garantie ausläuft.
Liegt eine ICC-Garantie vor, gelten die “Einheitlichen Richtlinien für auf Anfordern zahlbare Garantien” (URDG) der Internationalen Handelskammer. Beim Garantieabruf müssen diese Bedingungen unbedingt rechtzeitig konsultiert und genau eingehalten werden.
Falle 5 – Ausländische Garantien
Ausländische Lieferanten können oft nur Bankgarantien ihres Sitzstaates beibringen. Wehrt sich eine ausländische Bank gegen die Zahlung, braucht es früher oder später in jedem Fall ein Verfahren vor einem ausländischen Gericht. Der Vorteil der schnellen Verfügbarkeit des Garantiebetrages ist damit stark relativiert.
Ausländische Garantien sind besser als gar keine. Der Gerichtsstand sollte aber in der Schweiz liegen. Damit kann man zwar nicht die Zahlung, aber doch wenigstens ein Urteil in der Schweiz erwirken. Auch die Unterstellung unter schweizerisches Recht ist anzustreben. Weigert sich die Bank, sind die ICC-Regeln (URDG) eine gangbare Alternative.